5 Minuten Lesezeit 14 März 2022
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Welche Vorteile ein SPAC-Merger für IPO-Kandidaten bietet

Von Martin Steinbach

EY EMEIA IPO Leader, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Kennt das nationale und internationale Kapitalmarktparkett in- und auswendig. Lebt mit Frau und drei Kindern in Friedrichsdorf. Wann immer Zeit ist, spielt er Tennis, fährt Rad oder läuft Ski.

5 Minuten Lesezeit 14 März 2022

Ein Zusammenschluss mit einer börsennotierten SPAC kann eine Alternative zum klassischen Börsengang sein.

Überblick
  • Die Anzahl börsennotierter und Akquisitionen suchender SPACs in den USA stieg zuletzt auf ein Rekordniveau.
  • Der Zusammenschluss mit einer bereits börsennotierten SPAC ist eine Alternative zum klassischen Börsengang und zunehmend Plan B.
  • Eine frühzeitige Evaluation der Vor- und Nachteile und Implikationen des SPAC-Mergers zählt zur guten Vorbereitung auf den Weg an die Börse.

Für Unternehmen, die einen Börsengang in Erwägung ziehen, kann der Zusammenschluss mit einer bereits börsennotierten SPAC eine strategische Alternative sein. Es wäre in Zeiten hoher Marktvolatilität und Unsicherheit quasi ein IPO durch die Hintertür. „SPAC“ steht für „Special Purpose Acquisition Company“, also eine Zweckgesellschaft, die ohne Geschäftstätigkeit gegründet wird, um über den Kapitalmarkt Mittel für einen Unternehmenserwerb zu beschaffen. SPACs sind daher auch als Blankoscheck-Gesellschaften bekannt.

Comeback in den USA seit 2017

SPACs werden von Sponsoren und Managementteams mit Expertise für eine bestimmte Branche initiiert und haben zwei Jahre Zeit, um eine Übernahme abzuschließen oder ansonsten im Zuge ihrer Liquidation das eingesammelte Kapital an die Investoren zurückzuzahlen. Derartige Zweckgesellschaften gibt es insbesondere am US-Markt seit Jahrzehnten. Angesichts der anhaltenden Marktunsicherheit und der hohen Volatilität in den letzten Jahren haben Anzahl und Volumen der SPAC-Emissionen erheblich zugenommen und veranlassen mehr private Unternehmen, das SPAC-Modell als Alternative zu einem eigenen IPO in Erwägung zu ziehen. SPACs haben in den USA seit 2017 jedes Jahr mehr als 10 Milliarden Dollar an Eigenkapital eingesammelt – so viel wie seit der Finanzkrise 2008/2009 nicht mehr.

Im Schnitt 400 Millionen Dollar

Derzeit gibt es mehr als 100 aktive Zweckgesellschaften mit einem Eigenkapital von rund 30 Milliarden Dollar, die nach entsprechenden Akquisitionen suchen. Das durchschnittliche Volumen eines SPAC-IPO ist im Jahr 2020 auf fast 400 Millionen Dollar gestiegen und wird häufig durch zusätzliches Kapital in Form von Finanzierungszusagen und Kreditlinien unterstützt. Diese Entwicklung geht mit zunehmenden Akquisitionen einher: Von Anfang 2019 bis Ende Juli 2020 wurden 41 SPAC-Übernahmen abgeschlossen und 24 weitere angekündigt.

Vorteile

Im Ergebnis steht Unternehmenslenkern, die sich bei der Abwägung strategischer Handlungsalternativen bislang typischerweise auf den klassischen Börsengang konzentriert haben, eine weitere Option in Gestalt des Zusammenschlusses mit einer börsennotierten SPAC offen. Zu den Vorteilen zählen eine höhere Preis- und Umsetzungssicherheit, ein schnellerer Prozess und die Vertraulichkeit der Verhandlungen zwischen den beiden Merger-Parteien im Vergleich zum öffentlichen IPO-Preisfindungsprozess.

Zu berücksichtigende Punkte:

  • Die Auswirkungen auf die Vorstellungen zur Unternehmensbewertung der Eigentümer der operativen Gesellschaft in Abhängigkeit vom ausgehandelten Business Combination Agreement sind im Blick zu behalten.

  • Häufig ergeben sich Verwässerungseffekte zulasten der Altaktionäre, insbesondere aufgrund von Aktienoptionen, die bereits vor dem Zusammenschluss an SPAC-Aktionäre ausgegeben wurden. Werden diese nach dem Zusammenschluss ausgeübt, hat dies zur Folge, dass sich der Anteilsbesitz der Altaktionäre des Unternehmens, das mit der SPAC zusammengeschlossen wurde, entsprechend verringert.

  • Für Altaktionäre und neu hinzukommende Minderheitsaktionäre wirft der SPAC-Zusammenschluss oftmals Corporate-Governance-Fragen auf. Schließlich wird der SPAC-Sponsor nach dem Zusammenschluss typischerweise eine aktivere Rolle spielen wollen, insbesondere durch die Absendung eigener Vertreter in den Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat und, ganz allgemein, die Ausübung seines durch den Anteilsbesitz vermittelten Einflusses.

  • Zu berücksichtigen sind auch die im Hinblick auf den Zusammenschluss womöglich bestehenden Cash- und Exit-Bedürfnisse der Altaktionäre; diesen kann beispielsweise durch einen Abverkauf von Aktien im Zuge des Börsengangs des fusionierten Unternehmens Rechnung getragen werden.

  • Die „IPO Readiness“ des operativen Unternehmens muss für Tag 1 nach dem Zusammenschluss mit der SPAC gewährleistet sein.

  • Der Einfluss auf den Markenwert des operativen Unternehmens durch das Image von SPACs muss evaluiert werden.

Für Europa geeignet?

Ob sich das amerikanische SPAC-Modell auch in Europa erfolgreich umsetzen lässt, hängt weitgehend von den Investoren und der Marktstimmung sowie von den Vorgaben der jeweiligen Jurisdiktion ab. Beispielsweise schränkt das deutsche Gesellschaftsrecht die Nachbildung einer typischen US-SPAC-Struktur in Form einer Aktiengesellschaft erheblich ein. So stellt sich die Frage, ob die von den SPAC-Aktionären auf ein Treuhandkonto einzuzahlenden Bareinlagen tatsächlich zur „freien Verfügung“ des Vorstands stehen, wie es das deutsche Aktiengesetz verlangt (vgl. § 188 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 36 Abs. 2 AktG). Überdies ist kritisch zu hinterfragen, ob sich in Anbetracht der gesetzlichen Höchstbeträge für bedingtes und genehmigtes Kapital (50 bzw. 10 Prozent des Grundkapitals, vgl. § 192 Abs. 3 Satz 1 AktG) überhaupt die für den Zusammenschluss anvisierte Eigenkapitalstruktur realisieren lässt. Zu berücksichtigen sind ferner das Verbot der Einlagenrückgewähr und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien (§§ 57 Abs. 1 Satz 1 bzw. 71 Abs. 1 und 2 AktG), die jeweils einem „Cash-out“ zugunsten von SPAC-Aktionären, die einem geplanten Zusammenschluss die Zustimmung verweigern, entgegenstehen können.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Liquidation einer deutschen Aktiengesellschaft typischerweise einen nicht unerheblichen Zeitraum beansprucht. Dies dürfte wiederum dem Bedürfnis der SPAC-Aktionäre entgegenlaufen, möglichst schnell die geleisteten Einlagen zurückzuerhalten, wenn es der SPAC nicht gelingt, innerhalb des vorgegebenen Zeitraums (in der Regel zwei bis drei Jahre) eine Akquisition zu tätigen. Wenngleich in anderen europäischen Jurisdiktionen Rechtsformen mit größerer Flexibilität zur Verfügung stehen, sollten die jeweiligen Gesellschaften und Strukturen für die von der jeweiligen SPAC anvisierte Investorenbasis akzeptabel sein. Schließlich sieht auch das deutsche Börsen- und Kapitalmarktrecht keine vergleichbaren Beschränkungen vor und bietet Ausnahmeregelungen für SPACs, die seit weniger als drei Jahren bestehen.

Hinweis: Wie bei einem klassischen Börsengang gilt es für Unternehmenseigentümer und Management des operativen Unternehmens, sich rechtzeitig und ganzheitlich auf die Börsennotiz vorzubereiten. Ein initialer IPO-Readiness-Check und ein effizientes Projektmanagement tragen dazu bei, für den ersten Tag als börsennotierte Gesellschaft – unmittelbar nach Wirksamwerden des Zusammenschlusses – gut vorbereitet zu sein.

Fazit

Gerade in Zeiten hochvolatiler IPO-Märkte ist der Zusammenschluss mit einer börsennotierten SPAC eine strategische Handlungsoption für Unternehmen, die einen Börsengang in Erwägung ziehen. Auch europäische Unternehmen können daher häufiger als bislang den Zusammenschluss mit einer SPAC prüfen, der sich in den USA bereits zu einer tragfähigeren Alternative zum klassischen IPO entwickelt hat. Dies gilt in besonderem Maße für Unternehmen, die eine Börsennotierung in den USA anstreben.

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Von Martin Steinbach

EY EMEIA IPO Leader, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Kennt das nationale und internationale Kapitalmarktparkett in- und auswendig. Lebt mit Frau und drei Kindern in Friedrichsdorf. Wann immer Zeit ist, spielt er Tennis, fährt Rad oder läuft Ski.