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Rügenwalder Mühle macht in vegetarisch "Die Wurst ist die Zigarette der Zukunft"

Godo Röben (l.) und Rügenwalder-Chef Christian Rauffus: Zigarette der Zukunft

Godo Röben (l.) und Rügenwalder-Chef Christian Rauffus: Zigarette der Zukunft

Foto: Rügenwalder Mühle

Es geht nicht nur um die Wurst. Es geht um die Rettung der Welt. Darunter machen sie es nicht bei der Rügenwalder Mühle, nicht Firmenchef Christian Rauffus und schon gar nicht Marketingchef Godo Röben. Seit 180 Jahren verkauft Rügenwalder Würste, Aufschnitt oder Frikadellen - und jetzt springt ausgerechnet ein Unternehmen, das als Logo eine Windmühle mit Wurstflügeln trägt, auf den Trend zum Fleischverzicht auf und bietet vegetarische Produkte an. Der Grund: das drohende Ende unserer Zivilisation. Sagt der Marketingchef.

Was Rügenwalder umtreibt, dürfte in Wahrheit eine Mischung sein aus gutem Geschäftssinn, notwendiger Innovation, ein wenig ethischer Verantwortung und einem altersmilden Firmenchef.

"Die Wurst ist die Zigarette der Zukunft", sagt Patriarch Rauffus. Bald werde es ebenso verpönt sein, Wurst zu essen, wie heute schon das Rauchen, soll das heißen. Erfunden hat diesen Spruch Marketingchef Röben, ein quirliger Mittvierziger in Jeans und offenem Hemd - er ist der Kopf hinter vielen klugen Entscheidungen bei Rügenwalder.

Droht der Untergang der Zivilisation?

Das Gemüt des Unternehmens aber verkörpert Firmenchef Rauffus, gelernter Metzger und die sechste Generation seiner Familie an der Rügenwalder-Spitze. Das manager magazin führt ihn mit einem geschätzten Vermögen von rund 250 Millionen Euro auf Platz 462 der 500 reichsten Deutschen. Der Multimillionär gibt sich aber bodenständig und empfängt im karierten Hemd und Armeeparka mit aufgenähter US-Flagge.

Rauffus ist Herr über eine Firma, deren Mitarbeiter sich aus Überzeugung und Loyalität "Rügenwalder" nennen - und ganz schön was mitmachen mussten in den vergangenen Monaten. Viele der rund 450 Mitarbeiter sind gelernte Metzger. Es war nicht leicht, die Belegschaft und die Verantwortlichen von den vegetarischen Produkten zu überzeugen. Mehrfach wurde der Veggieplan gestoppt, während Röben im Urlaub war. Der Marketingchef spricht von einem "Kampf" - allen hat er seine Idee vorgetragen, aber keiner wollte mitziehen, außer Firmenchef Rauffus.

Schließlich riss Röben alle mit seinem Vortrag mit. Dutzende Male hat er ihn gehalten: vor der Belegschaft, der Geschäftsführung, dem Vertrieb, den Beiräten, sogar vor der Verbraucherzentrale, vor Greenpeace und Foodwatch. Der Vortrag beginnt in der Steinzeit bei den Jägern und Sammlern und endet im Jahr 2050 mit dem Untergang der Zivilisation. Die Kurzfassung lautet: Die Welt geht am grenzenlosen Fleischkonsum zugrunde, und Rügenwalder will nicht mit daran schuld sein. Marketingmann Röben kann lange darüber reden.

Fleischfrei boomt - die Konkurrenz schimpft

Weniger pathetisch unterbricht Rauffus ihn: "Darf ich mal eine Erläuterung geben, zu deinem Dingsda? Wir haben das vor allem deshalb zusammengetragen, weil ich schon wusste, dass mich die Gesellschafter fragen werden, ob wir es uns leisten können, aus dem Mainstream herauszusteuern." Seine Antwort: Rügenwalder kann, weil viele folgen werden. "Unsere Marke steht gut da, der Wurstmarkt nicht. Die Herstellung von vegetarischen Produkten ist also nur logisch."

Vegetarisch mit dem Zaunpfahl: Der vegetarische Schinken von Rügenwalder, wenn es das überhaupt gibt.

Vegetarisch mit dem Zaunpfahl: Der vegetarische Schinken von Rügenwalder, wenn es das überhaupt gibt.

Foto: Rügenwalder Mühle

Auch Patriarch Rauffus spricht von der Verantwortung für die Erde und für die nächste Generation, er befürwortet Verzicht und lobte schon vor Jahren die Grünen-Idee des "Veggie Day". Allerdings: "Die Welt ist nicht gerettet, wenn es keine Wurstfabriken mehr gibt, aber wir müssen etwas ändern. Für mich geht es nicht um das arme Tier, auch weiß ich nicht, ob vegetarisches Essen wirklich gesünder ist. Aber die Fleischproduktion verbraucht zu viele Ressourcen, das ist unstreitig." Die Entscheidung, vegetarische Produkte einzuführen, "war aber eine kaufmännische".

Und es war ganz offensichtlich eine gute Entscheidung. Unterstützt von einer 20 Millionen Euro teuren Werbekampagne (der komplette Marketingetat für 2015) boomt der Absatz: Schon drei Monate nach Einführung sind vier der zehn meistverkauften Rügenwalder-Produkte fleischfrei. Das Ziel, 30 Prozent des Gesamtumsatzes mit vegetarischen Produkten zu erzielen, soll nun schon Ende 2016 erreicht werden - geplant war 2020.

So konnte sich Rügenwalder ein Stück weit freimachen von den Problemen, die die übrige Branche plagen. Der Wurstumsatz in Deutschland geht seit Jahren immer weiter zurück.

Mit der Ducati in den Ruhestand

Mit dem Erfolg kommt der Neid, amüsiert sich Rauffus: "Wir werden angefeindet, vom Handel, vom Branchenverband, von Konkurrenten." Rügenwalder aber wäre nicht die umsatzstärkste Wurstfabrik Deutschlands (die gegen den Trend wächst), wenn Rauffus und Röben nicht vieles richtig gemacht hätten. Und es könnte wahr sein, was Rauffus sagt: "Wir sind die erste und letzte Generation, die jeden Tag Fleisch isst." Die vegetarischen Produkte sollen offenbar so etwas wie sein Vermächtnis sein.

In ein paar Jahren will Rauffus sich in den Ruhestand verabschieden, sagt er. Ihm werde das besser gelingen als seinem Vater, der bis zu seinem Tod täglich in die Firma kam: "Ich habe eine gesunde Faulheit, und mir wird schon etwas einfallen." Außerdem habe er sich gerade ein neues Motorrad bestellt - eine Ducati, die deutlich sportlicher ist als die Harley, die er jetzt fährt. Die Umwelt schützt er ja schon mit seinen Veggie-Würsten.

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