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SPIEGEL ONLINE

Künstliches Rindfleisch Wissenschaftler präsentieren ersten Labor-Burger

Es ist zwar Rindfleisch, doch es stammt aus der Petrischale. Forscher haben die erste künstliche Bulette vorgestellt. Mit der Methode sollen Ressourcen gespart und die Umwelt geschont werden. Doch bis zur Serienreife müssen die Labormetzger noch nachbessern - unter anderem beim Geschmack.

London - Natürlich fragt man sich, wie es schmeckt! Muskelfleisch vom Rind, aber doch nur indirekt vom Tier. Denn gewachsen sind die Zellen im Labor, in einer Nährstofflösung. Dort bildeten sie winzige Streifen, rund 20.000 davon hat ein Forscherteam der Universität Maastricht zu einer Bulette verarbeitet.

Die Wissenschaftler haben am Montag in London in einer Art Show eben diesen Burger vorgestellt - inklusive Live-Kochen und Testessen. Der US-Ernährungsautor Josh Schonwald und die österreichische Lebensmittelforscherin Hanni Rützler bekamen die ersten Häppchen serviert. Rützler sagte, sie habe gedacht, die Bulette sei weicher. Das fettfreie Produkt komme "nah an Fleisch heran", es sei nur nicht ganz so saftig wie Fleisch. "Die Konsistenz ist perfekt, aber ich vermisse Salz und Pfeffer", fügte Rützler hinzu. Außerdem vermissten beide Ketchup.

Um das Laborprodukt wie einen hausgemachten Burger frisch vom Grill aussehen zu lassen, wurden Salz, Eipulver und Semmelbröseln für den Geschmack sowie Rote-Beete-Saft und Safran für die Farbe hinzugefügt. Warum aber soll Fleisch überhaupt im Labor wachsen?

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Labor-Burger: Das Fleisch der Zukunft?

Foto: David Parry / PA Wire

Der Hunger auf Rind, Schwein und Geflügel steigt weltweit. Im Schnitt verbraucht ein Mensch im Jahr 42,5 Kilogramm Fleisch, rechnete ein Report vor kurzem vor. In Deutschland liegt der Verbrauch bei rund 60 Kilogramm pro Kopf. Die dafür benötigten Ressourcen sind groß, die Folgen für die Umwelt gewaltig. Etwa ein Viertel der weltweit produzierten Nahrungspflanzen landen nicht auf dem Teller, sondern im Futtertrog. Würde die Menschheit auf Fleisch verzichten, errechneten Wissenschaftler, könnte die globale Ernte vier Milliarden Menschen mehr satt machen.

"Aus ethischer Sicht hat es nur Vorteile", sagt Wissenschaftler Mark Post im Vorstellungsvideo  von Culturedbeef.net . Dort kommt auch Google-Gründer Sergey Brin zu Wort, der drei Alternativen aufzählt, die es aus seiner Sicht gibt. Erstens könnten alle Menschen Vegetarier werden, woran er selbst nicht glaube. Zweitens könne man so weitermachen wie bisher und die Probleme ignorieren, was der Umwelt schade. Die dritte Möglichkeit sei, etwas Neues zu machen - womit dann das Labor-Fleisch gemeint wäre.

Im Labor gewachsenes Fleisch, so die Theorie, benötigt viel weniger Ressourcen . Es könnte sogar irgendwann ganz ohne tierische Rohstoffe auskommen, wenn sich die Stammzellen unter den richtigen Bedingungen einfach immer weiter vermehren und so ständig neues Muskelfleisch produziert werden kann.

Ein halber Millimeter dick, 22 Millimeter lang

Aber Fleisch im Labor zu züchten, ist alles andere als trivial. Seit vielen Jahren versuchen sich Forscher daran. 2004 starteten drei Universitäten in den Niederlanden ein Projekt zur Fleischzucht im Labor. Der Staat hatte die Forschung mit zwei Millionen Euro gefördert. Die Wissenschaftler schafften es bis 2009, Fleischstückchen zu züchten, die etwa 22 Millimeter lang, 8 Millimeter breit und einen halben Millimeter dick waren.

Sie nutzten dafür aus dem Muskelgewebe von Kühen gewonnene Stammzellen. Diese Zellen ließen sie einige Wochen im Labor wachsen. Anschließend brachten sie die Zellen dazu, sich zu Muskelzellen zu entwickeln. Auf einem speziellen Untergrund und mit den richtigen Nährmedien bilden diese winzige Streifen und bauen Protein a2011 setzten sich Mark Post und seine Kollegen von der Universität Maastricht das Ziel, einen Hamburger aus Labor-Fleisch zu kreieren. Nun haben sie das Ergebnis präsentiert, nachdem sie den Termin deutlich nach hinten verschoben hatten.

Die nötige Zellmenge haben sie zwei lebenden Tieren schmerzfrei entnommen, berichten die Forscher. Aus nur einer Biopsie könne man theoretisch 20.000 Tonnen Labor-Fleisch züchten.

Noch viel Forschungsbedarf

Die Technologie hakt noch an einigen Stellen, was die Wissenschaftler auch eingestehen:

  • Die Streifen von Muskelgewebe sind sehr klein. Für größere Stücke bräuchte man Blutgefäße oder ähnliche Versorgungskanäle, die Nährstoffe zu sämtlichen Zellen liefern. Eine Bulette lässt sich also herstellen, ein Steak aber auf keinen Fall.
  • Es werden bisher nur Muskelzellen gezüchtet. Die Forscher wollen jetzt daran arbeiten, gleichzeitig Fettgewebe herzustellen.
  • Myoglobin, das Muskelfleisch rot färbt und Eisen enthält, wird bisher kaum in den Zellen hergestellt. Auch das soll in weiteren Experimenten verbessert werden.
  • Bislang wachsen die Zellen auf Medien, die sogenanntes fetales Kälberserum enthalten. Das stammt, wie der Name sagt, von Kälberföten. Inzwischen testen die Forscher jedoch Nährmedien, die ohne diesen Zusatz auskommen. Das Ziel ist, etwas einzusetzen, das entweder mit Rohstoffen wie etwa Algenextrakten auskommt oder künstlich hergestellt wird.
  • Post und sein Team arbeiten mit einer speziellen Sorte von Stammzellen, sogenannten Myosatellitenzellen, die sie aus dem Muskelgewebe von Kühen gewinnen. Diese Zellart hat den Vorteil, dass sie sich sehr einfach zu Muskelzellen entwickelt. Sie hat jedoch auch den Nachteil, dass sich diese Zellen nicht unendlich teilen. Man braucht also immer Nachschub von der Kuh. Alternativ wäre es denkbar, embryonale Stammzellen zu nehmen oder tierische Körperzellen im Labor in Stammzellen umzuwandeln. Das bringt jedoch wieder andere Schwierigkeiten mit sich.

Bis Fleisch aus dem Labor eine echte Alternative zu richtigem Fleisch ist, wird also noch einige Zeit verstreichen. Und die Forscher werden noch eine Menge Geld brauchen, um ihre Projekte voranzutreiben. Vielleicht finden sich nach der heutigen Präsentation einige neue Spender. Mark Post hatte bereits vergangenes Jahr gesagt, dass er die Diskussion verändern wolle - weg von der These, dass das niemals klappen könne und hin zu dem Punkt, dass man nur mehr Forschung brauche. Und die finanziert werden müsse.

Post meint, in 10 bis 20 Jahren könne das Fleisch aus der Petrischale marktreif sein.

Mit Material von AFP